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Jahresthema 2016: Frauen gestalten Kirche

Dr. Sumaya Farhat-Naser war in den 1990er Jahren mehrfach zu Gast in unserer Gemeinde. Ihre Berichte über die Situation und die Entwicklungen in ihrer Heimat und ihr Einsatz für Frieden und Verständigung waren so beeindruckend, dass sich die Frauengruppe 1996 entschloss, nach Palästina zu fahren, wo sie auch Frau Farhat-Naser in der Universität von Birseit besuchte. Unsere Autorin Brigitte Beckmann war Vorsitzende der Deutsch-Israelisch-Palästinensischen Gesellschaft in Berlin.

Ringen um Frieden

„Wir weigern uns, Feindinnen zu sein.” Mit diesem Transparent standen Sumaya (Palästinenserin) und Gila Svirsky (Israelin) im Juni 2001 bei den „Frauen in Schwarz” in Jerusalem. 13 Jahre waren vergangen, in denen sich palästinensische und israelische Frauen gegenseitig besuchten, sich kennenlernten in ihren unterschiedlichen Lebensbezügen, ihrem politischen Selbstverständnis, ihrer Familientradition - als Frauen schlechthin. Ein langer Prozess war eingeleitet, der zu gegenseitiger Akzeptanz und politischer Verständigung führen sollte - so hofften beide Frauen.

Sumaya Farhat-Naser hatte im Evangelisch-Lutherischen Schulzentrum Talitha Kumi das Abitur abgelegt und in Hamburg Biologie und Erziehungswissenschaften studiert. Sie ist Dozentin für Botanik und Ökologie an der Palästinensischen Universität in Birseit, ihrem Heimatort.

Ich lernte Sumaya auf einer Studienreise nach Israel kennen Am Ölberg, im Garten eines Krankenhauses, berichtete sie von ihrer Situation in ihrer Arbeit mit Frauen und Jugendlichen. Uns beeindruckte ihr Bericht, der durch kurze und genaue Situationsschilderung ohne Wertung einen Einblick in ihr Leben in Birseit und ihre Arbeit gab. Die Beurteilung und Einschätzung überließ sie uns, den Zuhörern. Das weckte Fragen und führte zu interessanten Gesprächen. Diese Erfahrung machten wir mit ihr bei vielen Gesprächsabenden auch in Berlin, wo sie über Aktuelles in ihrer Heimat berichtete oder eines ihrer Bücher vorstellte. Beeindruckt haben mich ihre Arbeitsschwerpunkte, ihre Lehrmethoden und ihr Engagement, trotz vieler Schwierigkeiten:

Arbeit mit Frauen und Bildung und Friedensarbeit.

„Treffen sich Frauen zu Handarbeiten oder Festvorbereitungen, nutzten wir diese Treffen, um über Probleme und Lösungen zu sprechen. Das musste eingeübt werden, denn das waren wir Frauen nicht gewöhnt”, erzählte Sumaya. „Die patriarchalisch strukturierten Familien und Gesellschaften, in denen wir sozialisiert wurden, erzeugen ein Gefühl der Ohnmacht. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, um uns zu befreien.”

Für Bildung und Friedensarbeit setzt sich Sumaya an vielen Orten in Palästina, aber auch in Seminaren in der Schweiz oder in Deutschland ein. Sie arbeitet mit der Methode „Gewaltfreie Kommunikation”, um Dialogfähigkeit und Friedenskultur zu schaffen. Sie erlebt, wie Frauen und Mädchen mit Freude zu den Seminaren kommen. Sumaya entwickelt und stärkt das Selbstwertgefühl und vermittelt jeder: „Du bist einzigartig, jede ist wunderbar.”

So hatte sie in Augsburg eine Gastdozentur an der Uni, um mit palästinensischen Studenten an ihren Problemen zu arbeiten: Angst um mich, meine Familie, Armut, Rachegefühle, Neid, Verheiratung...

Einmal fragte ich Sumaya, woher sie die Kraft und die Hoffnung für all diese Arbeit nimmt. Die Probleme verschärfen sich, die Hoffnung schwindet. Sie lächelte mich an und antwortete: „Aus dem gleichen Glauben wie du, aber auch aus der Natur, bei Wanderungen mit meinem Mann in den Olivenhainen...”

Sumaya ist Mitbegründerin zahlreicher Organisationen, z. B. Global Fund for Women in San Francisco. Vielfach geehrt, auch mit dem Mount Zion Award und zuletzt mit dem AMOS-Preis für Zivilcourage in Religion, Kirchen und Gesellschaft.

In ihrem letzten Brief schreibt Sumaya u. a. von positiven Ereignissen in ihrem Land:

„Nach hartem Kampf der Frauenbewegung und fortschrittlicher Männer in Palästina werden Ehrenmorde als kriminelles Verbrechen eingestuft und verfolgt.”

Die Evangelisch-Lutherische Kirche beschloss Gleichberechtigung von Mann und Frau in allen Bereichen, auch im Erbrecht.

In Ein Arik arbeitet Sumaya an einem Schulprojekt an zwei Schulen: Arbeit mit Müttern an der gesellschaftlichen Entwicklung im Dorf, am Verhalten zu Hause gegen Gewalt. Die UN-Flüchtlingslager-Schule in Ein Arik hat dieses Projekt der Schulbehörde vorgeschlagen. Es wurde aus 50 Projekten ausgewählt und bekam mit Sumaja den 1. Preis im Gebiet Ramallah. Es soll als Projekt aufgezeichnet und in die Lehrer-Ausbilddung aufgenommen werden. Das ist für die Friedenserziehung von großer Bedeutung!

„Das gibt Kraft. Wir machen weiter...!”

Sumayas Arbeit wird vom Berliner Missionswerk begleitet und unterstützt. Das ist auch in Zukunft weiter nötig.

Brigitte Beckmann

Letzte Änderung am: 27.05.2016