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Jahreslosung 2017

Gott spricht:
„Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.” (Hesekiel 36,26)

Gedanken zur Jahreslosung 2017 von Dr. Jörg Antoine

Zum neuen Jahr: ein neues Herz und einen neuen Geist. Welche Verheißung! Gerade zum Jahreswechsel gibt es die Tradition, mit guten Vorsätzen ins neue Jahr zu starten. Aber trotz guter Vorsätze – der gute Wille scheitert oft daran, dass es eben nicht möglich ist, sich einfach auszutauschen. In kleinen Schritten mögen Veränderungen möglich sein; im Großen und Ganzen bleiben wir uns aber auch im neuen Jahr treu – leider auch in den schlechten Seiten, so sehr sie uns selbst stören mögen.

Ganz anders ist die Jahreslosung aus dem Buch Hesekiel des Alten Testaments. In diesem Abschnitt des Buches des Propheten Hesekiel richtet sich Gottes Heilshandeln an das Volk Israel. Dieses hatte sich durch seinen Wandel und seine Taten als Gottesvolk unwürdig erwiesen. Um seiner selbst willen entscheidet sich Jahwe, das Volk Israel zu erheben und vor allen Völkern als sein auserwähltes Volk zum Strahlen zu bringen. Ein Wandel, den das Volk Israel nicht aus sich selbst heraus leisten könnte – aber Jahwe kann das vollbringen: ein neues Herz und einen neuen Geist geben. Es ist eine Befreiung aus einer verfahrenen Situation. Sich selbst am eigenen Schopfe aus dem Sumpf ziehen. Die Redewendung macht überdeutlich, wie schwierig es ist, sich selbst zu befreien, wenn man erst einmal tief im Sumpf eingesunken ist. Das schaffte Israel nicht, aber Gott ist es möglich.

Luther erkannte, dass er sich nicht selbst rechtfertigen kann und muss und er bei allem guten Willen und mühsamer Anstrengung aus sich keinen Heiligen machen kann. Der alte Adam steckt immer auch in einem. Welch Gefühl von Freiheit und Glück mag ihn überkommen haben, als er zu der Erkenntnis kam, dass er sich nicht durch vollkommen gutes Handeln und Denken rechtfertigen muss, sondern er vielmehr darauf vertrauen darf, dass Christus ihn erlöst hat und aus ihm einen neuen Menschen gemacht hat. Das war ein vollkommener Perspektivwechsel, mit dem statt des bangen Blicks auf die eigene Unvollkommenheit ein Leben beginnt, das von der Zuversicht nur so strotzt, dass Gott das Unmögliche macht: ein neues Herz und einen neuen Geist zu geben.

Dieser Perspektivwechsel, diese Freiheitsgeschichte lässt Luther alles anders sehen. Die Kirche als Heilsmittlerin? Nein – Gott und Mensch stehen in einem unmittelbaren Verhältnis zueinander. Sich wider besseren Wissens einer Autorität unterordnen? Nein – wider das Gewissen muss und darf man nicht handeln. Die Tradition als Denkverbot? Nein – was gefordert wird, muss vernünftig dargelegt werden können.

Nun gut - das Reformationsjubiläum 2017 soll uns jetzt nicht verleiten, einem plumpen Lutherkult zu huldigen. Luther hatte seine Schattenseiten: die Diffamierung der Gegner, die Kompromisslosigkeit bis hin zur Sturheit, seine einseitige Parteinahme für die Fürsten in den Bauernkriegen, seine späteren antisemitischen Äußerungen. Es ist auch viel Schatten um Luther.

Was mir imponiert, ist aber Luthers Mut, mit dem er aus mancher Sackgasse seiner Zeit ausgebrochen ist. Vieles, was für uns heute selbstverständlich ist, hatte Luther noch unter Einsatz seines Lebens erstreiten müssen. Glaubens-, Gewissens- und Meinungsfreiheit hat er in Anspruch genommen und damit prägend auf die weitere Entwicklung in Deutschland eingewirkt.

Handeln in Gottvertrauen und auf Gott vertrauen, mithin Gottes Wort trauen und sich davon leiten lassen – ich wünsche uns allen, dass uns das 2017 widerfährt. Dass uns die Geschichten von Jesus, sein Dienst an den Armen, seine Gemeinschaft mit den Sündern im eigenen Handeln ermutigen.

2017 wird auch Ende Mai der Kirchentag in Berlin sein. Gerade der Kirchentag lebt davon, dass wir im Hören auf Gottes Wort zugleich nüchtern unsere Zeit in den Blick nehmen. Wir sollen aber auch erfahren, dass die Reformation in die Welt hinein gewirkt hat und wir Christen weltweit eine große Gemeinschaft sind. Es wäre schön, wenn das fröhliche Fest der Protestanten auf dem Kirchentag Nachhall in unseren Gemeinden findet.

Von Gott 2017 ein neues Herz und einen neuen Geist geschenkt bekommen? Im 500sten Jahr der Reformation sollten wir es mit Blick auf die Reformation und den Wandel im Leben Martin Luthers – vom verängstigten Mönch zum streitbaren Reformator – zumindest für möglich halten, dass einem Menschen genau das widerfahren kann. Und dass Gott diese Verheißung dem ganzen Volk Israel zugesagt hat und es auch unsere Kirche war, die das lange verkannte, das darf uns dann helfen, 2017 nicht in falschem Triumphgetöse zu feiern.

Wir können dankbar für Luthers Wege in die Neuzeit sein und in Demut bedenken, dass auch Glaubensgewissheit nicht vor Irrtum schützt. Wider den Strom handeln und Irrtümer einräumen können, zu beidem darf uns die Jahreslosung 2017 auf dem Kirchentag und beim Reformationsjubiläum ermutigen. Gott schenkt uns dafür ein neues Herz und einen neuen Geist.

Dr. Jörg Antoine

Dr. Antoine ist unser Gemeindeglied. Er ist Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Seit Mai 2015 leitet er die landeskirchliche Verwaltung.

Letzte Änderung am: 25.03.2019