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Monatsspruch Oktober 2019

Wie es dir möglich ist: Aus dem Vollen schöpfend - gib davon Almosen! Wenn dir wenig möglich ist, fürchte dich nicht, aus dem Wenigen Almosen zu geben! (Tobit 4,8)

Ich schöpfe oft aus dem Vollen, auch wenn mir das nicht immer bewusst ist. Darum ist das Erntedankfest mir besonders lieb und teuer. Einmal im Jahr werde ich daran erinnert, dass es so Vieles gibt, für das ich dankbar sein kann und dankbar bin. So Vieles, das nicht selbstverständlich ist. Manches davon habe ich mir nicht „erarbeitet“, sondern es ist schlicht Geschenk. Ich fühle mich reich gesegnet.

Integraler Bestandteil unserer jüdisch-christlichen Tradition (und im Übrigen auch der islamischen!) ist die Überzeugung, dass wir teilen sollen, was wir haben, damit auch andere gut leben können. Darum bin ich froh, dass die Kollekten fester Bestandteil unserer Gottesdienste sind. Und das nicht nur – sozusagen „nachklappend“ – am Ausgang, sondern mitten im Gottesdienst. Es gehört zu unserem Gottesdienst, dass wir die Welt um uns herum wahrnehmen und versuchen, zu helfen, wo Hilfe notwendig ist.

Und: wir tragen gemeinsam die Lasten und Aufgaben, die auf uns als Gemeinde zukommen. Mit der Kirchensteuer, dem Kirchgeld, Kollekten oder anderen Spenden und Zuwendungen wird ein lebendiges Gemeindeleben möglich.

Der Monatsspruch für den Oktober greift den Gedanken, dass wir teilen und abgeben sollen, auf. Dass es beim Geben dabei nicht auf die Höhe der Gabe ankommt, erzählt die Geschichte von der armen Witwe aus dem Neuen Testament (Markus 12). Jesus beobachtet, wie eine arme Witwe „zwei Scherflein“ in den Kollektenkasten legt, eine verschwindend geringe Summe. „Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben.“ Es ist eine wichtige Erzählung, die sich gegen jene Einstellung wendet, die Spenden zu einem Wettbewerb um öffentliche Anerkennung der Spender werden lässt. Wie schnell geschieht es, dass der, der weniger geben kann, das Gefühl vermittelt bekommt, dass seine Gabe auch weniger wert sei. Biblisch ist dieses Denken nicht. Daran erinnert uns der Vers aus dem biblischen Buch Tobit: ob aus dem Vollen schöpfend oder von dem Wenigen, das wir haben, abgebend: wir sollen teilen.

Das Buch Tobit, oder: Tobias, ist ein Buch, das uns in unseren Gottesdiensten selten begegnet, gehört es doch zu den sogenannten Apokryphen des Alten Testaments. Dies sind religiöse Schriften jüdischer bzw. christlicher Herkunft aus der Zeit zwischen etwa 200 vor und 400 nach Christus, die aus verschiedenen Gründen nicht in den engeren biblischen Kanon aufgenommen wurden. Das Buch Tobit handelt von einem Mann, der den Geboten Gottes folgt und dem dennoch viel Übel widerfährt. Als er auf seinen Tod wartet, ruft er seinen Sohn Tobias zu sich. Als Vermächtnis an seinen Sohn steht eine berührende Rede, die Ratschläge für ein gutes, gottesfürchtiges Leben beinhaltet.

Hierzu gehören die oben abgedruckten Verse. In der alten Lutherübersetzung hieß es hier: „Hast du viel, so gib reichlich; hast du wenig, so gib doch das Wenige von Herzen.“ Die neue Lutherübersetzung wie auch die oben abgedruckte Einheitsübersetzung halten sich näher am Originaltext und sprechen von Almosen. Es ist ein altertümliches Wort, an dem man sich schnell und nicht zu Unrecht stoßen kann, da es in unserem heutigen Sprachgebrauch einen Beigeschmack hat.

„Almosen verderben die Seele des Gebers wie des Nehmers und verfehlen zu alledem ihren Zweck, denn sie verschlimmern die Armut.“, so sagte es Fjodor Dostojewski. Ich kann Dostojewskis Kritik gut nachvollziehen. Wie oft sind Spenden kein solidarisches Teilen auf Augenhöhe, sondern eine für den Empfänger mitunter entwürdigende Geste, die noch dazu Abhängigkeiten verstärkt.

Das jedoch wird Tobit nicht gemeint haben, als er seinem Sohn diesen Ratschlag mitgab. Sondern er wusste um die Notwendigkeit, Gutes zu tun. Dabei geht es nicht nur um Geld. Wir können auch Zeit und Zuwendung „spenden“. Viele Menschen tun das, auch in unserer Gemeinde.

Menschen engagieren sich in vielfältiger Weise. Mitunter ist das gar kein groß gewürdigtes Ehrenamt, sondern eine kleine, alltägliche Geste: ein offenes Ohr für jemanden, dem sonst gerade niemand zuhört. Oder ein kurzer Besuch bei der Nachbarin, die seit dem letzten Krankenhausaufenthalt kaum mehr die Wohnung verlassen kann und zusehends einsamer wird.

Wir feiern das Erntedankfest, das mich immer wieder auf’s Neue daran erinnert, wie oft ich aus dem Vollen schöpfe. Und selbst da, wo es weniger ist, ist es doch meist genug, um zu teilen. Und nahezu immer genug, um Grund zur Dankbarkeit zu haben.

Voller Vorfreude auf das Erntedankfest verabschiede ich mich vorerst von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser unseres Gemeindebriefes. Wie viele von Ihnen wissen, erwarten wir in Kürze unser viertes Kind. Nach dem Tod unseres Sohnes im letzten Jahr waren die vergangenen Monate oft hart – aber immer wieder gab es für mich und für uns als Familie Grund, dankbar zu sein. Während meines Mutterschutzes sind Michael Juschka und bis Ende des Jahres auch unsere Vikarin Elisabeth Schulze für Sie da. Für den Zeitraum der an den Mutterschutz anschließenden Elternzeit wird es dann hoffentlich eine zusätzliche Vertretung geben, über die wir Sie informieren werden, sobald wir Genaueres wissen.

Bis wir uns wiedersehen wünsche ich Ihnen allen von Herzen Gottes reichen Segen. Mögen Sie behütet bleiben und immer wieder aus dem Vollen schöpfen!

Ihre Sonja Albrecht

Letzte Änderung am: 29.09.2019