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Wochenspruch zu Pfingsten

„Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth.” (Sacharja 4,6)

PFINGSTEN - FEST IM WERDEN

Ein Konfirmand fragte in die Runde: Was bedeutet eigentlich Pfingsten? Die meisten wussten nur, dass es Ferien gibt. Der protestantischen Kultur ist zum für die Christen zentralen Pfingstfest nicht viel Sinnlich-Geistreiches eingefallen.

Nach der Konfirmation stand ich als Gast bei einer Familie im Garten. Rasch entstanden Gedankenblitze. Worte flogen lebendig hin und her. Fragen zur Kraft des menschlichen Geistes bildeten plötzlich ein Gravitationsfeld. Wie bedingen sich Geist und Sprache wechselseitig? Sind wir bloß sprachbegabte Tiere? Können wir dem Geist, der uns auszeichnet, eine gute Richtung geben? Oder sind wir bloß ein Reittier, wie Luther sagte, das vom Teufel oder von Gottes Geist geritten wird?

Pfingsten ist das Fest, das noch nicht entschieden ist. Ich meine damit, dass dieses Fest von der Scheidung der Geister spricht. Es ist voller Dramatik, weil es die Auseinandersetzung der Geisteshaltungen thematisiert. Wir stecken mitten in dieser Dynamik.

Zu Weihnachten erinnern wir uns an die historische Geburt Jesu. Zu Karfreitag an seine historische Hinrichtung am Kreuz. Zu Ostern glänzt die Tischdecke, die Osterkerze brennt und es schmecken Ei und gebackenes Osterlamm als Zeichen der Freude über die geglaubte Auferweckung Christi. Und zu Pfingsten? – Da geht der Berliner ins Grüne, statt sich zu fragen: Wohin strömt der politische Geist, der Zeitgeist der modernen Industrienationen? Welche Geistesprozesse und Auseinandersetzungen bringen die multikulturellen Städte hervor? Was bewirkt die vor 500 Jahren nicht denkbare und schon gar nicht tolerierte religiöse Vielfalt? Lassen sich Individualisierungsschübe zugunsten persönlicher Freiheit, Globalisierungstendenzen von Sprache, Vernetzung, Denken und Handeln und eine Universalisierung von Rechten des Menschen und eines jeden Gotteskindes zurückfahren, wieder vergessen lassen, wie es viele wollen oder in Kauf nehmen?

Pfingsten ist ein Fest des geistlichen Kampfes, der auch gegenwärtig tobt und trotz der Ausgießung des Heiligen Geistes nicht entschieden ist. Pfingsten bedeutet: 50 Tage nach Ostern. Pfingsten befreit den Geist. Unsere Gedanken suchen Wege des Lebens. Wir verweigern uns, wenn Fragen, Gedanken, Gefühle, Beobachtungen verboten werden.

PFINGSTEN - FEST DES WORTES

Auf einem Tisch steht eine Schüssel mit frischem Obst, aus der sich die Kinder bei einem Ausflug der Gemeinde bedienen können. Der Pfarrer möchte die freie Entnahme des Obstes steuern und schreibt auf einen Zettel, den er neben die Schüssel legt: „Hier nimmt jeder nur ein Stück! – Gott sieht alles und beobachtet euch!“. Am anderen Ende des Raumes steht ein zweiter Tisch mit einem Teller voller Schokoladenkekse. Auch dort liegt ein Zettel, allerdings von Kinderhand geschrieben. Zu lesen ist: „Hier nimmt jeder, so viele er möchte! Gott sieht es nicht – er muss das Obst beobachten.“

Auf welche Seite schlägt sich der Heilige Geist? Ich vermute, er steht mehr auf der Seite der Kinder als auf der der Ordnung. Wir erkennen sein Wirken erst an der Dynamik, die er entfaltet. Die frühen Christen hatten unter Verfolgung und Martyrium das römische Imperium geistig umgestaltet. Als Waffe hatte die Christenheit eine gute Botschaft und eine lebendige Gemeinschaft. Aus einem Kaiserkult wurde ein Christuskult. Die Kirche war nie frei davon, sich mit Gewalt neue Geistesströmungen vom Leib zu halten. Sie scheiterte damit, den unverfügbaren Geist in eine Flasche zwingen zu wollen. Die Reformationszeit war eine weichenstellende Phase für geistig-geistliche Auseinandersetzungen, die auf vielen pfingstlichen Entwicklungen aufbaute. Die Gewalt, die der vom menschlichen Geist hervorgebrachten Veränderung folgte, war eine ungerechtfertigte Abkürzung eines notwendigen Klärungsprozesses. Gottes Kampffelder sind das in uns liegende Gewissen, unsere Selbstwahrnehmung, unsere Prägungen und Wertungen und unsere Ab- oder Aufgeschlossenheit.

PFINGSTEN - FEST DER WAHRHAFTIGKEIT

In vielen Staaten wird eine Meinungsfreiheit unterbunden oder ausgehöhlt. Die Vielfalt der Stimmen gehört zur pfingstlichen Grundbotschaft. Der Heilige Geist kennt alle Sprachen. Wer sich auf den Heiligen Geist beruft, kann die Sprache der Gewalt, der Entwürdigung anderer und des Hasses nicht nutzen.

Konfirmandinnen des neuen Jahrgangs saßen vor einer unbemalten Holzplatte. Sie lasen den Wochenspruch zu Pfingsten, besprachen sich und gestalteten ein Bild, das sowohl das Gemeindeblatt als auch den Schaukasten im Juni prägt. Eine Taube ist in der oberen rechten Bildhälfte zu erkennen. Ihr Rücken verschwindet in einer rotgelben Feuerwolke. Ihre Botschaft ist durch den Ölzweig angedeutet. Sie verbreitet Frieden wie zu Zeiten Noahs, zwischen den Menschen, zwischen den Menschen und der Schöpfung und schließlich zwischen Gott und seinen Ko-Kreationisten, die zur Bewahrung des Ganzen selbst tätig werden müssen.

Die Hände sind ausgestreckt. Sie sind begierig nach diesem Geist, der ohne Gewalt, gefälschte Nachrichten, ohne Hohn und Spott in dieser Welt wirkt. Bei denen, die sich nach ihm ausstrecken, gibt es kein Oben und kein Unten. Sie haben nichts in den Händen.

Die Dynamik des Heiligen Geistes, sichtbar in der Menschenliebe und Gottesbindung, hinterlässt Spuren in den Herzen, den Köpfen und in der Sprache der Menschen. Das aber sehen wir auf dem Bild nicht mehr.

Spazieren Sie zu Pfingsten am Schaukasten vorbei und setzen sich zu einem geistreichen Gespräch auf die Bank an der Kirche! Wir haben doch gute Gründe, uns auf die würdige Auseinandersetzung zu stürzen und dem Abbruch der Kommunikation zu widerstehen.

Michael Juschka

Letzte Änderung am: 26.03.2019