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RSSPrint

Rückblick auf die Flüchtlingsarbeit

von Heinz-Detlef Gregor

Seit 2015 betreuen ehrenamtliche HelferInnen aus unserer Gemeinde Flüchtlinge aus der Unterkunft am Hohentwielsteig. Unter anderem hat sich im vergangenen Jahr eine fünfköpfige Gruppe an dem Projekt „Leben in Deutschland – Leben in Berlin“ der Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales und des Paritätischen Wohlfahrtsverbands beteiligt. Wir wurden mit fast 900 € gefördert. Vor allem aber erhielten wir für unsere Arbeit mit den Flüchtlingen ca. 500 € aus der Flüchtlingshilfe der Gemeinde, daneben wurden 19 Fahrräder, 300 € für Musikinstrumente und 500 € für den Bibel&Koran-Garten gespendet. Einen Flyer zum Garten hat der Kirchenkreis finanziert.

Schwerpunktmäßig arbeiten wir mit Flüchtlingen aus Eritrea. Im letzten Jahr haben wir 37 Eritreer, aber auch 2 Afghanen, 1 Sudanesin, 1 Iraner und 1 Kurden einzeln, als Familie oder in Gruppen erfolgreich betreut. Mit ihnen wurden folgende Aktivitäten durchgeführt:

  • Deutsch-Konversationskurs (regelmäßiges „Sprachcafé“; Hausaufgabenhilfe, Prüfungsvorbereitungen, Einzelfallhilfe bei „Hausbesuchen“ im ASB-Heim; 5 Kochkurse mit insgesamt 50 Teilnehmern; Kochen für das Gemeindefest
  • Begleitung zu Anwälten, Amnesty International Asylgruppe, Polizei und zu Ärzten.
  • Besuche im Zoo, im Aquarium, bei Konzerten in Zusammenarbeit mit Kultur/Leben
  • Beschaffung und Instandhaltung von Fahrrädern
  • Begleitung zur Jobbörse, Organisation von Berufspraktika (Elektro, Pflege), Besuch auf der Ausbildungsstätte
  • Hilfe bei Behördenschreiben, Wohnungsbewerbungen und -besichtigungen
  • traditioneller eritreischer Musikunterricht, Krar-Vorspiel beim Gemeindefest Weiterführung und Ergänzung des interreligiösen Bibel&Koran-Gartens.

Ich bin dankbar für den positiven Rückhalt in der Gemeinde und im Kirchenkreis sowie für die große Kooperationsbereitschaft der Mitarbeiter in der Gemeinschaftsunterkunft am Hohentwielsteig, durch die unsere Arbeit seit Jahren gestützt wird.

Alle von uns betreuten Flüchtlinge haben 2017 große Fortschritte gemacht. Viele haben inzwischen mindestens das Deutschniveau A2.2 erreicht. Ihre Motivation ist immer noch sehr hoch, obwohl alle unter der trägen Berliner Bürokratie leiden. Der Übertritt in eine Ausbildung oder in Arbeitsverhältnisse ist nach wie vor unbefriedigend, die Wohnungssuche in Berlin nahezu hoffnungslos.

Die Integration der Flüchtlinge in Berlin ist absolut nicht zufriedenstellend. Dies ist weniger dem bisweilen beobachteten und oft beklagten Mangel an Verlässlichkeit unserer „Klienten“ anzulasten als vielmehr der sichtlichen Überforderung der Berliner Behörden. In Vergleichen z.B. mit NRW oder insbesondere Bayern fällt auf, dass Flüchtlinge in Berlin mit Auflagen und Bescheiden in einer Sprache, die oft selbst deutschen Muttersprachlern kaum verständlich ist, belastet werden. Bei unserer Arbeit wirkt es sich besonders nachteilig aus, dass Tigrinisch oder Amharisch in Berlin von Amts wegen kaum eingesetzt werden und Nachschlagewerke oder Sprachlernmittel erst von der Münchner Flüchtlingshilfe beschafft werden mussten, weil es sie in Berlin schlichtweg nicht gibt. Die Dominanz der arabischen Sprache in der Berliner Flüchtlingsarbeit ist bei der Integration nicht arabisch sprechender Menschen äußerst hinderlich.

Die Information der Flüchtlinge über gesundheitliche Vorsorge oder medizinische Risiken der natürlichen Bedingungen in Deutschland ist mangelhaft. So leiden dunkelhäutige Menschen oder stark verschleierte Frauen bei dem geringeren Sonnenlichtangebot in unseren Breiten an Vitamin-D-Mangel, der vorsorgend behandelt werden sollte. Die geflüchteten Frauen müssten über ihre Rechte und Pflichten als Migranten in Deutschland informiert werden, über ihre Rolle und Rechte als Singles sowie über ihre Pflichten als alleinerziehende Mütter und über eine gewaltfreie Kindererziehung Es gibt aber anscheinend kein entsprechendes Vorhaben in Berlin.

Ähnlich steht es um die Gepflogenheiten und Pflichten von Männern in Deutschland, insbesondere gegenüber Frauen allgemein und in der Familie. Es fehlt auch eine gezielte Erkundung der persönlichen Probleme und Wünsche der Flüchtlinge; die nötig ist, sollen sie das Gefühl bekommen, wirklich in unserem Alltag willkommen zu sein.

Heinz-Detlef Gregor

Letzte Änderung am: 26.04.2022