Weizen und Gerste

Vom Hauptnahrungsmittel zum „Himmelsbrot”

Peter Welten eröffnete unsere Themenreihe mit dem Hinweis auf den Garten als einen geschützten Bereich. Die biblische Erzählung vom Paradiesgarten schildert, wie Gott allerlei Bäume wachsen ließ, die verlockend anzusehen und deren Früchte gut zu essen waren. Jenseits von Eden fiel der Schutz der Nahrung weg und die Menschheit hatte im Schweiße ihres Angesichts aus der Erde herauszuholen, was zum täglich benötigten Brot werden konnte.

Wenn in der Bibel von den „Früchten des Feldes“ die Rede ist, sind Gerste, Dinkel und Weizen gemeint. Diese Getreidesorten bildeten den Hauptbestandteil der Nahrung in der gesamten Antike. Unter den Getreidearten nahm Weizen hinsichtlich der Anbaufläche und der Produktion eine Spitzenstellung ein. Er hat eine lange Domestikationsgeschichte, die vor etwa 10.000 Jahren in der als „Fruchtbarer Halbmond” bezeichneten Region des Vorderen Orients begonnen hat.

Weizen und Gerste gehören zu den „Sieben Arten“, die in der Thora als Früchte des verheißenen Landes genannt werden: „...ein Land, darin Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume und Granatäpfel wachsen, ein Land, darin es Ölbäume und Honig gibt,…“ (5. Mose 8, Vers 8). Mehr als 30 mal wird in der Bibel die Gerste ( , seorah) erwähnt (47 mal Weizen, Luther 1984). Obwohl sie zu den „Sieben Arten” gehört, galt sie immer als weniger wertvoll, etwa ein Drittel des Wertes von Weizen (vgl. Offenbarung 6,6). Die Gerste, das Brotgetreide der Armen, wurde in den trockeneren Gebieten Israels, also den Randzonen der Gebirge und im nördlichen Negev, angebaut. Die Gerstenbrote bei der „Speisung der 5.000” (dem „Brotvermehrungswunder” vgl. Johannes 6,9-13) lassen erkennen, dass man sich in einer weniger begünstigten Gegend bzw. Gesellschaft befand. (siehe: Wilhelm Barthlott, Jasmin Obholzer, M. Daud Rafiqpoor, Pflanzen der Heiligen Bücher, Bibel und Koran)

Das hebräische Wort für Weizen ist ‫חטה‬ (hittach). Es gibt aber auch zahlreiche andere Ausdrücke im Alten Testament. Im Altgriechischen ist σΐτος (sitos) der Begriff für Weizen. Aus Gerste und Weizen ließ sich Brot machen. Wir kennen Bethlehem, das übersetzt „Brothausen“ bedeutet. David und Jesus sind also der Erzählung nach von Anfang an mit dem Brot verbunden. Brot gab es erst seit dem 5. Jahrhundert vor Christus und es galt zunächst als Luxusartikel. Weniger Privilegierte aßen Getreide als Brei mit Wasser, Öl oder Wein angerührt. Mehl war das Endprodukt einer langen und anstrengenden Arbeit. Nach der Ernte wurde das Getreide gedroschen, gesiebt und gemahlen

„Brot und Wasser“ waren die elementaren Grundnahrungsmittel, die nicht einmal dem Feind vorenthalten werden durften. Traf einen Menschen das Elend, so wurde dieses mit dem Mangel von Brot und Wasser umschrieben. Manchmal wurde es „Tränenbrot“ oder „Brot des Elends“ genannt. „Brot und Wein“ waren hingegen Ausdruck für ein festliches Mahl und die Lebensfreude. Übereinstimmend in Bibel und Koran ist, dass es letztlich Gott ist, der Mensch und Tier mit Brot – das heißt mit Nahrung – versorgt. Im Judentum wird das Brot als Gottes Geschenk bei jeder Mahlzeit gewürdigt, indem folgender Segensspruch gesagt wird: „Gesegnet seist du, Herr unser Gott, König der Welt, der Brot aus der Erde hervorbringt“.

Das Brot war nicht nur die notwendige Grundlage für das Leben und das Überleben des Menschen. Das Brot bekam in der Erzählung von der Speisung des Volkes Israel während der Wüstenwanderung eine spirituelle Bedeutung. Das Manna, das die Israeliten fanden, wurde als „Himmelsbrot“ verstanden, das ihnen direkt von Gott gegeben wurde. „Da sprach der HERR zu Mose: Siehe, ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen, und das Volk soll hinausgehen und täglich sammeln, was es für den Tag bedarf, dass ich ́s prüfe, ob es in meinem Gesetz wandle oder nicht“ (2.Mose 16,4). Welche hohe Bedeutung Weizen und Gerste für jüdisches und christliches Selbstverständnis erhielten, lässt sich zum einen am Festkalender Israels ablesen. Dieser richtet sich im Wesentlichen nach der Getreideernte. Zum Passa-Fest wird die erste Gerste geerntet. Die Erstlinge der Weizenernte werden zum Wochenfest (dem Pfingstfest) eingeholt. Zum anderen ist das „Brotbrechen“ beim Abendmahl zentraler Bestandteil. Das Vaterunser hat als mittlere Bitte die Brotbitte. Aus dem Neuen Testament konnte die Bedeutung des Weizenkorns den Märtyrer Ignatius von Antiochien (2.Jahrhundert) zu folgendem Ausruf verleiten: „Ich bin Gottes Weizen und werde durch die Zähne der Bestien gemahlen“.

An dieser Stelle seien zwei Suren genannt, die zeigen, dass eine theologische Durchdringung der Getreidepflanzen auch im Koran zu finden sind: Sura al-Baqara (2:261):

Das Gleichnis derjenigen, die ihren Besitz auf Allahs Weg ausgeben, ist das eines Saatkorns, das sieben Ähren wachsen lässt, (und) in jeder Ähre hundert Körner. Allah vervielfacht, wem Er will. Und Allah ist Allumfassend und Allwissend.

Sura 6 al-An‘am (6:95): Allah ist es, der die Körner und die Kerne spaltet und das Lebendige aus dem Toten hervorbringt [...].

Die Bibel verglich schließlich das aus Gerste und Weizen gebackene Brot mit dem Wort Gottes. Im Jesajabuch werden beide Sichtweisen verbunden, die materielle und die geistliche. Gott spricht: „Denn wie der Regen und der Schnee herabkommen vom Himmel und nicht dorthin zurückkehren, sondern die Erde tränken und sie fruchtbar machen und sie zum Sprießen bringen und Samen geben dem, der sät, und Brot dem, der isst, so ist mein Wort, das aus meinem Mund hervorgeht: Nicht ohne Erfolg kehrt es zu mir zurück, sondern es vollbringt, was mir gefällt, und lässt gelingen, wozu ich es gesandt habe.“ (Jesaja 55,10f.).

„In den Ostergeschichten des Lukas- und des Johannesevangeliums gilt das Brotbrechen bzw. Brotgeben Jesu als wichtiges Erkennungszeichen und damit als Brücke zur nachösterlichen Gemeinde. An die Stelle der „Was ist das“-Frage der Israeliten, die dem vom Himmel dem Menschen gegebenen Manna den Namen gegeben haben soll, tritt im Neuen Testament die an Jesus gerichtete christologische Frage: „Wer bist du?“, die im Johannesevangelium, in Auseinandersetzung nicht zuletzt mit 5. Mose 8,3, ihre erste Antwort in der Selbstbezeichnung Jesu als „Brot des Lebens“ findet.“ („Ich bin das Brot des Lebens“ Joh 6,48) (aus: WiBiLex Artikel „Brot“ von Benjamin Ziemer).

Ein wunderbares Passionslied, nachgedichtet von Jürgen Henkys, (Evangelisches Gesangbuch Nr. 98) deutet mit dem Weizenkorn Passion und Auferstehung: „Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt, Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt. Liebe lebt auf, die längst erstorben schien: Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.“

Michael Juschka

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