Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. (2. Timotheus 1,7)
Liebe Leserin, lieber Leser,
wenn Sie an Ihrer Kirche vorbeikommen, dann werden Sie im Schaukasten eine Tafel entdecken mit diesem Bibelspruch. Frau Herrmann-Brentel hat sie gestaltet. Schon beim ersten Hinschauen fällt das Wort auf, auf das es besonders ankommt: BESONNENHEIT.
Vor einiger Zeit habe ich gute Freunde getraut. Sie haben sich dieses Bibelwort als ihren Trauspruch gewählt. Irgendwann im Traugespräch habe ich sie gefragt, was sie denn eigentlich unter „Besonnenheit“ verstehen würden. Beide sind sehr belesen, beide Berufsmusiker - und ich war gespannt, was sie mit ihrem ausgeprägtem Sprachgefühl und ihrem Sinn für Sprachklang wohl antworten würden.
So als wäre unser Freund auf diese Frage gefasst gewesen, antwortete er: „Beate (seine Frau) hat die Sonne so gerne". Damit hatte ich nicht gerechnet. Unser deutsches Wort und auch das griechische im originalen Text des Neuen Testamentes kommen von „besinnen", sich bewusst machen, noch einmal überdenken. Nur zufällig klingt im Deutschen die grammatikalische Form „Besonnenheit” nach „Sonne”.
Manchmal ist es verblüffend, dass deutsche Wörter, die griechische Begriffe wiedergeben, ein Eigenleben entfalten und einen Bibelvers in ganz anderem Licht(!) dastehen lassen. In unseren Zeiten der Furcht schenkt uns Gott den Geist der Kraft, der Liebe - und den Geist der Sonne. Seine Wärme durchdringt uns, seine Helligkeit umleuchtet uns. Übrigens soll die Sonne Grippeviren aller Art zumindest eindämmen.
Im Zentrum der Tafel im Schaukasten strahlt die Sonne. Die Strahlen scheinen über den Rand hinauszugehen. Gottes Gaben sprengen jeden Rahmen. Das letzte Wort aber, auf das es ankommt, „Besonnenheit”, ist größer geschrieben, als die anderen. Es musste daher etwas weiter unter die Zeile gesetzt werden. Gott bringt uns nicht „auf Linie”, sondern er verlässt sogar seine „Richtlinien”, um uns mit seinen Gaben, mit Licht und Wärme zu überhäufen.
Rot ist es geschrieben, das Wort „Besonnenheit“, nicht wie die anderen, die in konventionellem Schwarz gehalten sind. Und zufällig steht es so, dass unter der gemalten Sonne auch die Buchstaben „…SONNE…” zu stehen kommen.
Wer weiß, wie groß die Gefahren sind, wenn Sie diese Zeilen lesen. Vorbei werden sie nicht sein. Wir durchleben Wochen und Monate, die zum Fürchten sind. Das ist kein guter Geist. Wir haben von Gott Kraft bekommen, genauso viel, wie wir für uns und andere brauchen. Auch den Geist der Liebe haben wir, um mit Phantasie zu überlegen, wie wir mit unseren Lieben und mit unseren Freunden in Kontakt bleiben indem wir auf Distanz gehen. Ja, es ist auch eine Zeit für neue Möglichkeiten der Begegnung.
Gott schenkt uns Wärme und Licht. Die Sonne, sein Geschöpf, erinnert uns daran, gerade in dieser Jahreszeit. Vielleicht fällt es Ihnen auf, wenn Sie mal am Schaukasten vorbeikommen: links unten, da hat sich blaue Farbe eingeschlichen. Ein Stück Himmel auf Erden.
Das wünsche ich uns allen, dass Gott uns anstrahlt, wie wir kleine Kinder anzustrahlen pflegen und völlig begeistert sind, wenn sie uns anlächeln. „Der Herr lasse leuchten sein Angesicht über uns” heißt es in dem Segen, der uns sonntags gewöhnlich zugesprochen wird. Lassen Sie uns zum Ende des Monats feiern, dass Gott über uns seinen Geist ausgegossen hat, den Geist der Besonnenheit und selbst in schwierigen Zeiten uns ein Stück Himmel auf Erden bereitet!
Herzliche Grüße, Ihr Pfarrer Christian Zeiske