Autobahnkirche Zeestow: Einmal volltanken für die Seele

Stolz klingt die Bronzeglocke vom Zeestower Kirchturm, mit Freude verkündet sie, als wolle sie läuten: Feiert fünf Jahre Autobahnkirche, kommt zum zur Apostelandacht am 3. März nach Zeestow. Sehet und leset von einer Kirchengeschichte, wie sie in Deutschland nicht mehr so oft vorkommt! „Eigentlich sollte aus der Kirche ein Möbellager werden“, erzählt Pfarrer Bernhard Schmidt vom Kirchenkreis Falkensee – doch es kam anders wie sonst üblich. Gegen die Kirchenentwidmung gab es einen Plan.

Kirch ZeestowDie Zeestower Kirche

Die Zeestower Kirche, die aus dem Jahre 1848 stammt, wurde schon seit über vierzig Jahren nicht mehr von den Gemeindegliedern genutzt, sie waren kirchlich überwiegend nach Brieselang abgewandert, die Orgel bereits 1978 nach Falkensee-Finkenkrug gebracht, wo sie noch heute ihren Dienst versieht. Als der Kirchenkreis Falkensee 2008 sich die Frage stellte, was mit der Kirche geschehen solle, war den Verantwortlichen bewusst, dass ein Fokus auf die Wiederbelebung der Ortskirchengemeinde kurzfristig unrealistisch sein würde - zu lange waren die Zeestower und Zeestowerinnen ohne ihre Kirche ausgekommen.

Deswegen wurde die – im wahrsten Sinne des Wortes – nächstliegende Idee im Jahre 2008 verfolgt, eine Nutzung als erste Autobahnkirche am Berliner Ring zu erlangen. Die Regeln dafür besagen: nur alle 100 Kilometer darf eine Autobahnkirche kommen, sie darf nur 800 Meter von der Autobahn entfernt liegen. Beide Kriterien waren erfüllt. Doch auch dieses Konzept erschien ohne besonderen Akzent nicht tragfähig, daher kam noch die Idee der besonderen künstlerischen Ausgestaltung hinzu.

„Wir konnten den renommierten Künstler Professor Volker Stelzmann gewinnen, uns seinen Bilderzyklus <Die Berufenen>, eine Darstellung der 12 Apostel, für eine Dauerausstellung zur Hälfte des Wertes zu überlassen“, erzählt Pfarrer Schmidt beim Gang durch das Gotteshaus und zeigt dabei auf die 12 Apostel: „Da waren wir überzeugt, mit Hilfe dieser beiden Ideen – Autobahnkirche und religiöse Alphabetisierung via Kunst – unseren Schatz im Acker heben zu können“.

Stolz erzählt Schmidt, dass im fünften Jahr nach der Wiedereröffnung 2019 der erste Gemeindekirchenrat gewählt werden wird, dass bei den Apostel-Andachten regelmäßig mehr als 25 Besucher dabei sind, dass von den 800 Zeestower wieder an die 100 Christen im Ort leben, dass sie bald die Frequenz der Gottesdienste erhöhen wollen. „Wir haben das kirchliche Gemeindeleben wiederbelebt“, sagt Schmidt, „und auch unser Gästehaus mit seinen Schlafplätzen wird gut angenommen“. Wenn er das erzählt, hat er etwas von Don Camillo, dem Pfarrer aus dem gleichnamigen Film, der gegen den kommunistischen Bürgermeister Peppone zu kämpfen hat: „Mit unserem Sportplatz, dem Rüstheim und der Kirche haben wir in Zeestow wieder einen Ortsmittelpunkt geschaffen.“

Um Kirche und Rüstheim kümmert sich täglich liebevoll und aufmerksam der pensionierte Berliner Feuerwehrmann Hartmut Müller. Als die Mieten in Berlin zu hoch wurden, floh er im Jahre 2000 - zum Glück für die Kirche - nach Zeestow. Morgens um 8 Uhr schließt er die „Tankstelle der Seele“ auf, um 18 Uhr wieder zu. Doch am 9. November musste er gegen 17:30 Uhr feststellen, dass Kerzen mutwillig zerbrochen, Seiten aus der Bibel rausgerissen, der Altar geschändet war. Der oder die Täter, so meint Müller, müssen zwischen 14:30 Uhr und 17:30 Uhr ihr Unwesen getrieben haben. „Wir haben Anzeige erstattet und hoffen, dass es nur ein dummer Jungenstreich war“, sagt Pfarrer Schmidt sichtlich enttäuscht: „Wir haben die Kirche immer offen und dann so was…“

Angefahren wird die Kirche von Reisenden, die über die A10 des Berliner Rings kommen, Ausfahrt Brieselang/Zeestow. Versteckt, oben links am Altar wurde ein Gebetsraum eingerichtet, der Stille bietet, so wie die ganze Kirche. „Danke für den tollen Urlaub“, steht im ausgelegten Fürbittenbuch: „Mach meine Oma gesund“ und „Lieber Gott, beschütze uns auf unserer Reise“. Rast. Für Leib und Seele. Das bietet Zeestows Kirche. „Der polnische LKW-Fahrer kommt regelmäßig“, erzählt Kirchenwart Müller und Pfarrer Schmidt kann die Geschichte beisteuern von dem Ehepaar, das die Kirche als neutralen Ort der Aussprache benutzt hat und seitdem wieder zusammen ist.

Einmal volltanken für die Seele. Die gesamte Renovierung der Zeestower Kirche hat über 1,2 Millionen Euro gekostet, dafür konnten Mittel von der EU, dem Bund, dem Land, der evangelischen Kirche und der Gemeinde eingeworben werden. Eine Investition, so meint nicht nur Pfarrer Schmidt, die sich für Zeestow und für Reisende auf dem Berliner Autobahnring gelohnt hat. Und die zu einer Erfolgsgeschichte für die Kirche taugt.

Ulrich Hansbuer

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© Ulrich Hansbuer

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