Jahresthema 2016: Frauen gestalten Kirche

Von Freiräumen und der Bindung zwischen Diakonie und Gemeinde

Interview am 5. Januar 2015 mit Barbara Eschen, seit 2014 Direktorin des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. (DWBO)

Wir sind uns zuletzt vor einigen Wochen in der Kirche Zum Guten Hirten in Schöneberg begegnet, als dort eine Ausstellung mit 700 von Flüchtlingen bemalten und gefalteten Papierkranichen zu sehen war. Sie machte Photos mit ihrem Handy. Jetzt überreichte sie mir eine Postkarte, auf der der Vogelschwarm vor dem Altar zu sehen ist. Sie hat die Karte für eine Andacht drucken lassen. Das habe ihr gut gefallen, dass hier Diakonie und Gemeinde sichtbar beieinander seien, sie gehörten doch zusammen. Damit ist schon in der Begrüßung ein Grundmotiv des folgenden Gesprächs mit Pfarrerin Barbara Eschen angeklungen.

Als die gebürtige Frankfurterin Mitte der 80er Jahre ins Pfarramt kam, war das Rollenvorbild „Pfarrerin” noch nicht so etabliert wie heute. Mich interessiert, ob sie das als Chance oder als Erschwernis erlebt hat? Sie hat zwar auch Kommentare gehört wie „Es wäre aber auch schön, wenn der Pfarrer mal vorbeikäme...”, konnte (und wollte) aber aus der Tatsache, dass die Rolle der Pfarrerin mit weniger klaren Erwartungen befrachtet war als die der männlichen Kollegen, ein Mehr an Gestaltungsfreiheit gewinnen. Sie konnte sie aufgrund eines anderen Zugang zu jungen Frauen und Familien z.B. mit der Spielkreisarbeit beginnen, die es seinerzeit noch nicht gab. Freiräume – ein zweites Grundmotiv in unserm Gespräch.

Auf die Spur der Diakonie ist Barbara Eschen zum Einen durch den Kindergarten ihrer Gemeinde in Hagen gekommen. Schon während des Vikariats hatte sie Gelegenheit, in einem Kindergarten zu hospitieren und zu lernen, worauf es in einer solchen Einrichtung ankommt. Jetzt musste sie feststellen, dass die pastorale Betreuung einer gemeindeeigenen Kindertagesstätte nicht selbstverständlich war. Sie fand aber doch, dass sie Teil der Gemeinde und die Gemeinde daher sowohl strukturell als auch theologisch verantwortlich dafür sei. Für die Mitarbeiter*innen war das neu (!). Ihr Vertrauen musste und konnte aber durch stete Präsenz und wirkliches Interesse gewonnen werden.

Die zweite Spur in die Diakonie führte über die Diakoniestation, damals ein Verbund von Gemeindeschwestern, deren Leiterin zur Hagener Gemeinde gehörte. Die freute sich über das Interesse ihrer Pfarrerin und sorgte dafür, dass sie ins Kuratorium kam und schon bald den Vorsitz übernahm. Damit war ein Lernfeld für Finanz- und Personalfragen erschlossen.

Als sich dann keine Nachfolge für den Chef des Diakonischen Werkes in Hagen fand, der nach sehr erfolgreicher Arbeit die Leitung einer größeren Einrichtung übernahm ist Barbara Eschen dem Ruf an die Spitze dieses Unternehmens mit 500 Mitarbeiter*innen gefolgt. Dass und wie die damals 32-jährige junge Frau die Herausforderung angenommen hat, überfällige und unabwendbare Strukturveränderungen durchzuführen, hat ihr nicht unbedingt Freunde gemacht. Die Mitarbeiter*innen reagierten verunsichert und ablehnend. Nicht jede*r kann mit Veränderungen gut umgehen, nicht jede*r begreift, dass sie nicht das Ende sind, sondern manchmal das Überleben sichern. Und so bestand eine weitere Herausforderung darin, in dieser Situation gleichwohl Zuversicht und Hoffnung zu vermitteln. Selbstverständlich hat Barbara Eschen eine Betriebsberatung hinzu gezogen und Supervision in Anspruch genommen, um angemessen urteilen und fundiert agieren zu können. Aber es blieben Fragen und Gewissensnöte. Solidarität hat sie im (überwiegend männlich besetzten) Vorstand gefunden. Geistliche Rückenstärkung hat sie in den Gottesdiensten umliegender Gemeinden gesucht.

„Was ist für Sie Gemeinde?” wollte ich wissen. Gemeinde könne ganz unterschiedlich sein: Die Ortsgemeinde, die Gruppe in der Telefonseelsorge, die um die Dienste herum geistliches Leben teilt (in der Eschen zeitweilig mitgearbeitet hat), oder eine Einrichtung wie das Diakoniezentrum Hepahta (dessen Direktorin sie nach den Jahren im Diakoniepfarramt wurde). „Auf jeden Fall ist es eine Gruppe, die ich mir nicht ausgesucht habe, kein Freundeskreis. Und die Sammlung um das Wort Gottes gehört konstitutiv dazu.” Da ist also die Trias aus Koinonia, Leiturgia und Diakonia beisammen. Ich frage danach, was „Dienen” für die Direktorin des Diakonischen Werks bedeutet. Sie antwortet mit dem Hinweis auf die Einsetzung der Diakone in der Apostelgeschichte (Kap. 6). Anlass war ein Konflikt zwischen griechischen und hebräischen Juden um die Versorgung ihrer Witwen. Den Diakonen wird die Aufgabe zugewiesen, zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln, sich um Benachteiligte zu kümmern, die soziale Frage zu klären und für einen gerechten Ausgleich der Interessen zu sorgen - sie sind die „Zwischenträger”. Das ist der Auftrag der Diakonie bis heute: Interessensausgleich, Mitgestaltung von Zwischenmenschlichkeit. Dazu gehört die Reflektion der eigenen Rolle. Darauf muss in der derzeitigen Situation mit der großen Zahl ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer*innen neuerlich geachtet werden.

„Wieviel Theologie kommt in einer Führungsposition in der Diakonie vor?” Einerseits zu wenig, weil es an Zeit mangelt, andrerseits prägt sie alles Tun und Entscheiden. Es kommt, so Eschen, nicht auf die Quantität an, sondern auf die Grundhaltung. Das geistliche Leben im Haus in der Paulsenstraße kommt in der wöchentlichen Andacht zum Ausdruck, die reihum von den Mitarbeiter*innen gehalten wird. Von ihrer Vorgängerin hat Barbara Eschen darüber hinaus eine Einrichtung übernommen, die etwas von dem möglich macht, was ihr wichtig ist: einen gemeinsamen Tag am Buß- und Bettag für alle 80 Mitarbeiter*innen. Im vergangenen Jahr ging es um die Suche nach der Seele der Stadt Berlin. Wo bleibt die angesichts gewachsener ökonomischer Zwänge? Den Kosten- und Zeitdruck nennt Eschen eine Crux und wünschte sich mehr Freiräume für Mitarbeiter*innen zur spirituellen und sozialethischen Reflektion. Und dann wünscht sie sich noch, dass die Anerkennung der gemeinnützigen freien Wohlfahrtspflege in ihrer je unterschiedlichen Prägung erhalten und die Diakonie sozial kompetent und kritisch bleibt, und dass sie die befreiende Kraft des Evangeliums darstellen und vermitteln kann - das vor allen Dingen!

Elisabeth Kruse

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