Jahresthema 2016: Frauen gestalten Kirche

Interview mit Heilgard Asmus

Foto Heilgard AsmusHeilgard Asmus

Ende Mai 2016 hatten Pfarrer Michael Juschka und GKR-Mitglied Christine Jeep Gelegenheit (Gemeindeblatt, GB) mit Heilgard Asmus, Generalsuperintendentin des Sprengels Potsdam (HA), darüber zu sprechen, wie Frauen Kirche gestalten. Heilgard Asmus wurde 1958 in Lehnin geboren und studierte nach ihrer Berufsausbildung Theologie in Jena mit dem Schwerpunkt Religionswissenschaften. Von 1987-1999 war sie im Gemeindepfarrdienst in Brandenburg an der Havel tätig. Danach leitete sie bis 2004 das Pastoralkolleg. 2005 wurde sie Generalsuperintendentin des Sprengels Cottbus, seit Juli 2010 hat sie dieses Amt im Sprengel Potsdam inne.

GB: Das Thema unserer Textreihe lautet „Frauen gestalten Kirche“. War das jemals ein Motiv für Dich?
HA: Kirche gehört zu meinem Leben von Kindesbeinen an. Ich bin in einem Pfarrhaushalt groß geworden: Mein Vater war Pfarrer. Meine Mutter durfte ihren Beruf nicht mehr ausüben, weil sie einen Pfarrer geheiratet hatte. Sie hat dann eine katechetische Ausbildung gemacht und in der Gemeinde Christenlehre unterrichtet. Damit waren wir klassisches Pfarrhaus in der DDR: der Vater Pfarrer, die Mutter Katechetin und die Kinder im Unterricht bei den Eltern. In der Kirche, in der ich aufgewachsen bin, habe ich immer Frauen und Männer wahrgenommen, die mir imponiert haben, allerdings nie nach Geschlecht, sondern nach ihren Persönlichkeiten oder Themen, die sie besetzten.

GB: Gab es trotzdem Frauen, die Dir besonders imponiert haben?
HA: Natürlich gab es die. Ich erinnere mich etwa ein eine Musiklehrerin, die Chorleiterin in unserer Gemeinde war. Wie sie Menschen motiviert hat mitzusingen, hat mir im-poniert. Auch habe ich eine Pfarrfrau vor Augen, die keine Christenlehre geben und im Berufsschatten ihres Mannes stehen wollte, sondern ihre eigenen beruflichen Interessen verfolgte.

GB: Was bedeutete es in deinen ersten 30 Lebensjahren – also bis zur Wende, Deine Frau zu stehen?
HA: Ich habe meine Situation und die anderer Frauen nie in Abgrenzung zu Männern wahrgenommen, sondern als ganz normale Lebenslage für Frauen. Es war selbstverständlich, eine Berufsausbildung abzuschließen und einem Beruf nachzugehen. In meinem Fall hieß das, dass ich als Pfarrerskind trotz ausgezeichneter Leistungen keine Erweiterte Oberschule besuchen durfte. Ich habe mich daraufhin erpressen lassen und bin in die in FDJ eingetreten. Im Gegenzug habe ich einen Berufsausbildungsplatz mit Abitur bekommen, Fachverkäuferin für Bekleidung und Mode in Frankfurt / Oder gelernt und mein Abitur gemacht. Mit 16 Jahren stand ich das erste Mal im Warenhaus mit Frauen um mich herum, die alle gearbeitet haben und Familie hatten. Auch im Pfarrdienst in Brandenburg, wo ein großes Stahl- und Walzwerk stand, erlebte ich, dass Frauen genau wie Männer arbeiten. Eine Abgrenzung zwischen Mann und Frau war schlichtweg nicht vorhanden. In den Gemeinden und sozialen Kontexten, in denen ich mich umgesehen habe, war es das auch für andere nicht – ganz anders etwa als Ende der 60er Jahre oder in den 70er Jahren in Westdeutschland, wo das durchaus ein Kampfthema war.

GB: Wann begann sich das zu ändern?
HA: Noch während meiner ersten Jahre als Pfarrerin zu DDR-Zeiten wurden mir die unterschiedlichen Herangehensweisen bewusst. Denn auch dort waren die Leitenden keine Frauen. Mit der Wende wurden wir dann ziemlich schnell eine eher westlich orientierte Kirche. Durch Begegnungen mit Menschen verschiedenster Positionen in der Kirche merkte ich, dass ich doch stärker darauf achten wollte, dass meine Vorstellungen oder Gesprächsbeiträge nicht gleich beiseitegelegt wurden. Im Konvent in Brandenburg Anfang der 90er Jahre etwa mussten wir Frauen uns dreifach verständlich machen, um gehört zu werden. An diesem Punkt habe ich gemerkt, dass Frauen aus West-Berliner Kirchenkreisen, die sich in dieser Hinsicht schon lange bemühen mussten, auch Recht hatten. Ich hatte das vorher nicht so empfunden und musste es neu lernen. Das nahm zu, als ich 1997 in die Landessynode kam, deren Leitung komplett aus Männern bestand. Hier gab es zum Teil deutliche Unterschiede in der Aufnahmebereitschaft von Beiträgen oder Anträgen.

GB: Zehn Jahre nach der Wende hast Du dann die Leitung des Pastoralkollegs übernommen. Offensichtlich bist Du doch stärker gehört worden, als Du es wahrgenommen hast?
HA: Beim Pastoralkolleg standen in der letzten Bewerbungsrunde zwei Frauen zur Debatte. Eine West-Berlinerin und ich als absolute Newcomerin. Vorher war die Leitung des Pastoralkollegs immer in fester Männerhand gewesen, nun war klar, dass es eine Frau werden musste. Ich hatte keinerlei Netzwerk und stand einer Mitbewerberin gegenüber, die stark vernetzt war. Ich hatte die Bedeutung eines Netzwerkes in einer solchen Situation völlig unterschätzt. Umso größer war dann natürlich die Überraschung, als ich die Stelle bekam. Aber das hatte wohl weniger mit meinem Frausein, als vielmehr damit zu tun, dass ich eine „Ostpflanze“ und völlig unbekannt war.

GB: Das Thema Vernetzung kommt mir in unserer Kirche immer als eine besondere Stärke von Frauen vor. Siehst Du das ähnlich?
HA: Vernetzung habe ich während meines Studiums und der ersten Berufsjahre so nicht kennengelernt. Wir waren immer eine Gemeinschaft in den Konventen oder unter den Ehrenamtlichen, niemals nach Frauen und Männern geteilt. Ich habe den Eindruck, dass das zumindest in West-Berliner Kreisen ganz anders funktionierte und das Thema dort eine längere Geschichte hatte. Auch die feministische Theologie und Ausrichtung wurde in West-Berlin natürlich viel stärker diskutiert. Wenn wir in der DDR an entsprechende Bücher gerieten, diskutierten wir sie gemeinsam – mit Männern. Das mag daran liegen, dass wir politisch ein anderes Gegenüber hatten und gegenüber dem Staat doch stärker versucht haben, eine Gemeinschaft zu bilden und zu einem Konsens zu kommen.

GB: Ich habe Dich als Pastoralkollegsleiterin immer als sehr selbstbewusst und gestaltungswillig erlebt. Welche Impulse hattest Du, die Frauenthematiken zu profilieren?
HA: Mir ist ziemlich bald klar geworden, dass Frauen mit ihrer Sprache und mit ihrer Arbeitsweise wie in einem geschützten Raum auch unter sich sein sollten – im Rahmen wirklich geschlechtergeschlossener Veranstaltungen. Ich wollte ausprobieren, ob mir das gelingt. Die Schwierigkeit lag darin, dass sich zwei Traditionen der Frauenarbeit gegenüberstanden: die Osttradition aus Potsdam und die West-Berliner Frauenarbeit mit einem anderen Netzwerk. Das beides zusammenzubringen, war nicht einfach. Mit Hilfe verschiedener Personen ist es mir aber gelungen, von 2001 an Pastoralkollegs für Frauen einzurichten. Dorthin verirrte sich sogar die eine oder andere West-Berlinerin, so dass eine Form von Zusammenarbeit und Gemeinschaft wachsen konnte, die ein wenig über die Pastoralkollegs hinausgestrahlt hat.

GB: Unter Pfarrerinnen und Pfarrern gibt es Leitfiguren, die Führungsrollen einnehmen möchten. Wie förderst Du die Balance zwischen Alpha-Pfarrern und Alpha-Pfarrerinnen im Sprengel? Wie schaffst Du, dass beide vorkommen, gefördert und ermutigt werden?
HA: Was mir dabei hilft, sind meine Erinnerung und Erfahrungen. Beide meiner Vorgänger als Generalsuperintendentin waren Männer – beliebte, erfahrene Menschen mit Vorbildfunktion. Und dann kam ich daher als unbekannte Frau und hatte große Ehrfurcht, ob ich in meinem neuen Amt akzeptiert würde. Meine Erfahrung aus dem Pastoralkolleg aber, der Umgang mit vielen Pfarrern und Pfarrerinnen in den verschiedenen Gruppen, hat mir geholfen. Ich wusste, wie man bestimmten Verhaltensweisen begegnen kann, was man ihnen entgegensetzen kann. Hinzu kommt dass ich davon überzeugt bin, dass es durchaus wichtig ist, in bestimmten Ebenen der Kirche manchmal Frauen stärker in den Blick zu nehmen als Männer – zum Beispiel im Superintendentenamt. Auf meinen Listen in den Findungskommissionen stehen in der Regel nur Frauennamen, weil ich weiß, wie schwierig es ist, überhaupt Frauen zu begeistern, und weil ich weiß, dass alle anderen Männernamen auf ihren Listen haben. Gemeindearbeit wird klassischerweise von sehr vielen Frauen getragen, bei den GKR-Vorsitzenden sinkt die Zahl der Frauen schon etwas, der Anteil von Pfarrerinnen im aktiven Gemeindedienst liegt bei uns derzeit bei etwa einem Drittel. Das ändert sich und wir werden in den nächsten zehn Jahren bei 50 Prozent liegen. Doch bei Leitungsfunktionen klafft die Schere nach wie vor auseinander. Das versuche ich zu ändern, indem ich ganz bewusst Frauen für diese Ämter direkt anspreche und sie auch als Beraterin und Bewerbungscoach unterstütze.

GB: Zum Abschluss möchten wir nach Deiner Vision für unsere Kirche fragen: Wann bekommt die EKBO ihre erste Bischöfin?
HA: In fünf Jahren stehen die nächsten Wahlen an – das wäre dann mal dran!
GB: Wir danken ganz herzlich für das offene Gespräch.

Friederike Wehnert danken wir für die Aufzeichnung des Gesprächs.

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