Monatsspruch März 2020

Foto Manfred LöschPfarrer i. R. Manfred Lösch

Jesus Christus spricht: Wachet! (Markus 13,37)

Stellen Sie sich doch mal diese Situation vor: Sie haben die Stufen zum S-Bahnhof Schlachtensee erklommen, warten auf Ihren Zug, schlendern den Bahnsteig entlang, der von großen Werbetafeln gesäumt ist. Da wirbt ein Immobilienmakler, ein Waschmittelhersteller, ein Modelabel. Dazwischen eine große Tafel, die Ihnen sofort ins Auge fällt. Auf der steht in riesigen Lettern scheinbar nur das eine Wort Wachet. Sechs Buchstaben. Dahinter ein dickes Ausrufezeichen.

Was geht Ihnen dabei spontan durch den Kopf? Begriffe und Bilder wie Nachtwache, Wachmann, Wachschutz, Wachbataillon oder Wachturm?

Und dann entdecken Sie noch etwas auf dem riesigen Plakat - ganz klein, oben links in der Ecke, kaum zu erkennen von der anderen Bahnsteigseite. Da steht: Jesus Christus spricht: Und in der rechten unteren Ecke: Mk 13,37. Was aber die Blicke immer wieder auf sich zieht ist dieses unübersehbare: Wachet!

Nun wird es darauf ankommen, ob Sie zumindest ein wenig vertraut sind mit dem, was von diesem Jesus Christus überliefert ist, ob Sie vielleicht sogar die biblischen Texte kennen, in denen der Evangelist Markus im 11. bis 13. Kapitel seines Evangeliums von dem erzählt, was Jesus in den letzten Tagen vor seiner Gefangennahme in Jerusalem getan und den Menschen um ihn herum gesagt hat.

Ganz am Ende des 13. Kapitels spricht Jesus dort über das Ende aller Zeiten „an dem Himmel und Erde vergehen“, von dem aber niemand Tag und Stunde weiß - außer einzig und allein der Vater im Himmel. Für die Zeit bis dahin, wann immer das denn sein wird, für die Zeit des Wartens ermahnt Jesus seine Zuhörer damals und ebenso uns, die wir auch fast zweitausend Jahre später sozusagen im Wartestand sind, zur Wachsamkeit. Und wie so oft benutzt Jesus ein Bild: Es ist wie mit einem Mann, der auf Reisen geht und derweil seinen Mitarbeitern die Verantwortung überträgt – im Vertrauen darauf, dass sie auf das achtgeben, was er ihnen anvertraut hat. In der Hoffnung, dass sie nichts verschlafen – auch nicht seine Rückkehr.

Warten und Wachen, das sind zwei Worte, die in unserer Sprache eng miteinander verwandt sind. Aber natürlich ist Warten nicht gleich Warten. Es ist etwas anderes, ob Sie sich auf den Zug wartend mehr oder weniger gelangweilt oder ungeduldig nur die Beine in den Bauch stehen - oder ob Sie einen Besuch erwarten oder etwa Eltern auf die Geburt eines Kindes warten. In solchen Fällen wird das Warten eine ganz andere, viel aktivere Qualität haben. Aus Vorfreude auf Verheißenes wächst nämlich Lust an einer aktiven Vorbereitung darauf.

Mir scheint diese Unterscheidung sehr wichtig, denn das Warten auf den sogenannten Jüngsten Tag, das Warten auf die Rückkehr des Christus gehört zum Wesen eines Christen.

Aber eben nicht das mehr oder weniger gelangweilte, passive Abwarten oder gar das untätige Verharren in langem und vergeblichem Warten, wie es Christen gelegentlich unterstellt wird.

Mir fällt dabei etwa das Theaterstück „Warten auf Godot“ ein, das 1953 hier in Steglitz im Schlosspark-Theater seine deutsche Uraufführung hatte und den Weltruhm des Literatur-Nobelpreisträgers Samuel Becket begründete. Vielleicht haben Sie ja auch die das Stück eröffnende und fast formelhaft mehrfach wiederholte Feststellung Becketts im Kopf: „Nichts zu machen!“

Nein, das Warten der Christen ist ein aktives, geschäftiges, verantwortungsbewusstes und höchst wachsames Warten. Ihr Glaube bedeutet keineswegs eine Vertröstung auf das Jenseits und eine Untätigkeit in dieser Welt! Nein, Christen nehmen in der Zeit des Wartens ihre Verantwortung wahr, die ihnen übertragen wurde, und sie versuchen, alles im Sinne ihres Herrn zu tun. Christen verstehen sich als in Dienst Genommene für die Sache Jesu.

Was ist es denn nun ganz aktuell, worauf ich als Christ zu antworten habe, wenn ich mich ansprechen lasse von diesem Jesus Christus mit seinem Zuruf? Gerne würde ich mich neben Sie stellen, da auf dem Bahnhof und Sie fragen. Und ich stelle mir vor, Ihre Antworten wären sehr vielfältig.

Aber ich will Sie gern auch wissen lassen, welches Bild mir als erstes in den Kopf kam beim Lesen dieser sechs Buchstaben: Das waren die Wachtürme des Konzentrationslagers Auschwitz. Sicher hat das damit zu tun, dass wir in den Tagen, als ich gebeten wurde, etwas zum März-Monatsspruch zu schreiben, besonders daran erinnert wurden, was Nazi-Deutschland da Unvorstellbares angerichtet hat.

Und nun, da ich meinen Text fertigstelle, ist soeben in Thüringen bei der Wahl des Ministerpräsidenten etwas geschehen, was vielfach als „Dammbruch“ bezeichnet wird.

Faschisten, die die Gräuel von Auschwitz als „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte verharmlosen, die die Grundwerte der Demokratie in Frage stellen und Werte, die weithin in jüdisch-christlicher Tradition wurzeln, mit Füßen treten, haben in einem deutschen Parlament etwas geschafft, was nicht hätte geschehen dürfen.

Nein, Samuel Becketts Motto „Nichts zu machen!“ kann nicht meins sein, wenn ich mich ansprechen lasse auf meine Wachsamkeit und mein verantwortungsvolles Warten!

Lassen Sie uns als Christengemeinde noch wachsamer sein als bisher!

Das wünscht Ihnen und uns
Ihr Manfred Lösch, Pfarrer i.R.

Bildnachweis:

© 2017 Tomas Taras

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